Kälber würden Heumilch trinken, wenn sie denn könnten

Cover Heumilch-Werbung

© billa.at Heumilch-Broschüre

Sehr geehrtes BILLA Marketing-Team,

seit ich Ihre Heumilch-Kampagne zum ersten Mal gesehen habe, wehrt sich mein Hausverstand zu glauben, was der von Ihnen propagierte zu sagen meint. “Kälber würden Heumilch kaufen” heißt es dort auf der Titelseite einer 16-seitigen Broschüre. Mit seinen dunklen Augen sieht mich ein außerordentlich glückliches Kalb an, welches gerade dabei ist, sein Maul zu säubern. Man könnte schlussfolgern, dass das Tier gerade gesunde Heumilch zu sich genommen hat. Abgerundet wird die Szene von der nahezu perfekten österreichischen Idylle: Berge, Wiesen und eine kleine Hütte.

Auch die Folgeseite mit dem großflächigen Alpenblick lassen keinen Zweifel aufkommen: Hier wird Gutes getan und dafür geworben. Direkt aus dem Salzburger Tennengau erhalten wir gentechnikfreie Milchprodukte von gesunden Mutterkühen, welche lediglich Heu aus Wiesengräsern und frischen Kräutern zu sich nehmen. Selbst das Marketing-Team von Milka, müsste diesem abgerundeten Bild vollen Respekt zollen.

Durch Ihre informative Broschüre und einer Recherche im Internet konnte ich folgende Dinge über Heumilch in Erfahrung bringen:

  • Heumilch ist Muttermilch von weiblichen Rindern für ihre Kälber, welche nach vorgeschriebenen Kriterien “hergestellt” wird.
  • Die Kuh darf dabei nicht mit Silage und anderen gärenden Futtermitteln gefüttert werden. In den Kuhmagen kommt, was die frische Wiese hergibt.
  • Auch die Verfütterung von Futtermitteln tierischen Ursprungs sowie von bedenklichen, industriellen Nebenprodukten ist verboten.
  • Die produzierte Milch ist außerdem kontrolliert gentechnikfrei und selbst der Boden, auf dem die Kuh weidet, wird nach bestimmten Dünger-Richtlinien begutachtet.
  • Am Ende soll die gewonnene Milch gesünder sein (höherer Gehalt an Omega-3-Fettsäuren und konjugierten Linolsäuren), Kleinkinder können das Produkt besser vertragen und Geschmacksfehler treten seltener auf.

Die trügerische IdyleDas klingt wirklich nach einem guten qualitativen Produkt österreichischer Landwirtschaft. Kleinbauern die noch auf natürliche Art und Weise ihre “Produkte” gewinnen, sollen dadurch geschützt werden, das Qualitätsbewußtsein der Menschen angeregt und natürlich auch die Lebensbedingungen der Tiere verbessert werden. Wieder muss ich auf die Titelseite Ihrer Broschüre blicken. Ist Heumilch bzw. Kuhmilch im Allgemeinen, nicht eigentlich die Muttermilch des Kalbes und nicht für die Menschen gedacht? Oder anders formuliert: Produziert die Mutter-Kuh die Milch nicht ausschließlich für ihren Nachwuchs?

Eine weitere Recherche über Milchproduktion in unserer heutigen Zeit führte folgendes zutage:

  • Direkt nach der Geburt werden die Kälber von ihren Müttern getrennt.
  • Meist in Einzelkäfigen gehalten, erhalten die Neugeborenen in den ersten Tagen die Milch ihrer Mutter (abgepumpt vom Menschen), danach billige, „normale“ Milch. Nach zwei bis drei Monaten muss das Jungtier soweit sein und Heu zu sich nehmen.
  • Nach acht Wochen kommen die Kälber in die Rinder-Gruppe. Meist werden männliche Kälber nach 12-18 Monaten geschlachtet, die weiblichen müssen nach 18 Monaten bereit für die erste Besamung sein. Diese Werte varrieren sehr stark. Klar ist jedoch, dass je nach Geschlecht der menschliche Nutzen bestimmt wird und somit das Schicksal des Tieres.
  • Die tägliche Milchmenge der Mutter-Kuh steigt nach der Geburt des Kalbes zunächst an, erreicht nach vier bis sechs Wochen ihr Maximum und fällt dann ab. Sobald der Sexual-Zyklus der Kuh wieder beginnt und es zum ersten Eisprung kommt, wird die Kuh wieder belegt. Meist durch künstliche Befruchtung.
  • Über 300 Tage im Jahr soll die Kuh im Idealfall Milch geben.
  • Das natürliche Alter eines Rindes beträgt 20 Jahre. Eine Milchkuh erreicht oftmals nur weniger als die Hälfte, da der Körper des Tieres durch den Kreislauf der Besamung-Schwangerschaft-Milchgabe meist völlig erschöpft und ausgelaugt ist.
  • Es gibt unzählige Studien, die beweisen, dass Milch für den Menschen nicht lebensnotwendig ist und sogar schädlich sein kann. Wie unvollkommen wäre die Natur auch, wenn ein Lebewesen wie der Mensch auf die Muttermilch eines anderen Lebewesens angewiesen wäre?
„Schmeckt der Kuh das Futter, gibt’s beste Heumilch und Butter.“
Billas Bergbauernregel Nr. 3

Mein Hausverstand sagt mir, dass dieser Vorgang nicht dem natürlichen Trieb und der Lebensweise des Tieres entspricht und sich der Mensch hier seit Jahrhunderten am Tier schadlos bedient. Der Begriff “Nutztier” wird gerne in unserer Gesellschaft für das legale Unterdrücken und Beherrschen von Tieren verwendet. Es versteht sich von selbst, dass diese Art der Tierhaltung, jener vorzuziehen ist, wo in großen Lagerhallen hunderte Kühe auf engstem Raum im Halbdunklen vegetieren. Es ist gut möglich, dass bei der Gewinnung von Heumilch mancher dieser ausbeuterischen Methoden in entschärfter Form durchgeführt werden, jedoch stellt es wiederum eine weitere Form der legalisierten ökonomischen Ausbeutung durch den Menschen dar. Dies soll jedoch nicht Ihre Sorge sein liebes Marketing-Team.

Rind Nummer 19709

Rind Nummer 19709

Ich frage mich, wie folgende Sätze in Ihrer Broschüre mit der Realität vereinbar sind:

  • “Tausende glückliche Milchkühe haben sich an den saftigen Wiesen und Almen […] erfreut und fleißigen Bergbauern ihre reinste Heumilch anvertraut” – „Anvertraut“ bezeichnen Sie also den Prozess der belastenden Trennung des Kalbes von seiner Mutter und dem wochenlangen, meist maschinellen, Abpumpen durch den Menschen?
  • “Die Herstellung von Heumilch erfolgt heute noch genau so wie schon vor Jahrhunderten: im Einklang mit der Natur und dem Wechsel der Jahreszeiten” Ihre Erläuterung vom Einklang der Natur beginnt dann Fragen aufzuwerfen, wenn eine Kuh aufgrund von jahrelanger Dauerbelastung verfrüht stirbt. Sieht der natürliche Prozess außerdem vor, dass Muttermilch von anderen Säugetieren als dem Eigenen konsumiert wird?
  • “Und weil die Kühe daran ihre reinste Freude haben, danken sie es uns mit reinster Milch” „Sie danken es uns mit der Milch für ihre Jungen?“ – ich bitte Sie.

Zu guter Letzt lese ich noch einmal Ihren Slogan “Kälber würden Heumilch kaufen”. Ich denke, sie würden es nicht kaufen wollen. In erster Linie würden sie es gerne von ihren Müttern trinken. Genauso wie ein Neugeborenes, die lebensnotwendige Milch ihrer, durch die Geburt erschöpften aber überglücklichen Mutter, erhält. Ich denke diese Kälber würden gerne länger als ein paar Minuten bei ihren Müttern verbringen. Ich denke auch nicht, dass sie, je nach Geschlecht getrennt, früh oder an Erschöpfung durch Würfe im Akkord, viel zu bald sterben wollen.

Sie liebes Marketing-Team haben also einen Disput mit meinem Hausverstand ausgelöst. Ihren Textern kann ich nur empfehlen der Realität ins Auge zu blicken, bevor sie blumige Sätze verwenden, die unwahr sind und nur zum Ziel haben, den Profit auf die Kosten empfindsamer Lebewesen zu schaden. Ihren Grafikern und Layoutern lege ich ans Herz, dass sich hinter dem konstruierten Schein oftmals eine brutale Wahrheit verbirgt, die man auch durch noch so große Headlines nicht verdrängen kann. Auf die Gefahr hin dass ich mich wiederhole: Ich denke dass Kälber, die ihnen verwehrte Heumilch gerne trinken würden, wenn sie denn nur könnten.

Mit besten Grüßen,
mein Hausverstand.